Es ist auch ein Kampf gegen unsere Regierungen

International Lidy Nacpil über eine Kampagne gegen den Bau eines Kohlekraftwerks auf den Philippinen

Interview: Ilana Krause

Am 4. Mai dieses Jahres kamen bei der Kampagne Piglas Batangas! Piglas Pilipinas! über 8.000 Anti-Kohle-Aktivist_innen aus den Philippinen zu einem Protestmarsch in Batangas City zusammen. Hier, an der Südküste der Hauptinsel Luzón, plant die JG Summit Holdings ein neues 600-Megawatt-Kohlekraftwerk, das sich über 20 Hektar innerhalb des Stadtgebietes erstrecken soll. Die Kampagne war Teil von breakfree, einem Bündnis, in dessen Rahmen im Mai Aktionen gegen fossile Infrastruktur auf sechs Kontinenten und in über 15 Ländern durchgeführt wurden. Ende Gelände sprach mit Lidy Nacpil, Co-Koordinatorin der Global Campaign to Demand Climate Justice, Vorsitzende des Philippine Movement for Climate Justice und Mitorganisatorin der philippinischen breakfree-Aktion.

Kannst du uns etwas über die breakfree-Aktion in den Philippinen erzählen?

Lidy Nacpil: Wir führen den Kampf gegen Kohle seit Jahren. Ein Teil davon ist der Protest gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke. Und wir kämpfen auf nationaler Ebene gegen die Energiepolitik der Regierung. Vor Ort versuchen wir es zu erschweren, dass neue Projekte einfach durchgedrückt werden – obwohl das Ziel natürlich die komplette Verhinderung ist. Global koordinierte Mobilisierungen wie breakfree sollten für die lokalen Kämpfe der teilnehmenden Bewegungen hilfreich und sinnvoll sein. Es geht eben nicht darum, irgendetwas künstlich hochzukochen, damit es in einem globalen Rahmen passt. Wir haben Batangas als Ort gewählt, weil es dort bereits eine starke Kampagne gegen ein neu geplantes Kohlekraftwerk gibt: ein breites Bündnis, in das auch die Kirche involviert ist. Es war also nichts komplett neues. Aber wir wollten eine neue Form der Mobilisierung erreichen, die es so vorher noch nicht gab. Zu dem Zeitpunkt standen Wahlen an, und wir wollten, dass eine konkrete lokale Forderung Teil der Mobilisierung ist, damit die Aktion eben nicht nur als Show für ein globales Publikum dient.

Wer waren die Organisatorinnen und Organisatoren, und was haben sie davon, Teil von breakfree zu sein?

Wie gesagt, die Leute waren bereits organisiert, weil die Mobilisierung ja schon lief. Es war uns wichtig, nicht einfach hinzugehen und die Demonstration zu organisieren. Wir kommen eher aus überregionalen beziehungsweise globalen Zusammenhängen. Deswegen wollten wir eine gemeinsame große Mobilisierung auf die Beine stellen und Kohle zum Thema während des Wahlkampfes machen. Wegen der lokalen Kämpfe war Batangas ein großartiger Ort dafür. Ich denke, es war für die Menschen vor Ort ermutigend zu wissen, dass sie Teil einer globalen Bestrebung waren. Sie wollten einen Namen für die Initiative, der Bezug zum globalen Rahmen hatte, der aber Filipino ist. Darum haben sie »Piglas« gewählt, ein Filipino-Wort für »breakfree«. Der Name war dann Piglas Batangas! Piglas Pilipinas! – der Ort für die Mobilisierung und der Name unseres Landes in unserer Sprache. Also breakfree Batangas, breakfree Philippinen. Der Name erlaubte uns einen Link zum globalen Rahmen und ermöglichte es uns aber auch, eine lokale Identität zu bewahren.

Worum ging es bei der Aktion?

Wir wollten die örtlichen Kämpfe intensivieren und eine Mobilisierung erreichen, die es so in der Stadt zuvor noch nicht gegeben hatte, zu keinem Thema. Um den Druck zu erhöhen, gab es Solidaritätsdelegationen aus anderen Teilen des Landes und aus den Städten um Batangas herum. Es ging hauptsächlich darum, eine größere Öffentlichkeit zu schaffen. Zu diesem Zeitpunkt hielten wir es vor allem für notwendig, mehr Menschen zu ermutigen, sich zu beteiligen. Denn sie waren staatlicher Repression und Schikanen ausgesetzt. Es ist wichtig, dass diese Menschen die Erfahrung machen, viele zu sein. Das macht Mut, sodass sie das nächste Mal eventuell auch zu Mitteln des zivilen Ungehorsams greifen werden, wenn das nötig ist.

Die Hauptmotivation für die Aktion war Kohle. Aber welche Rolle spielte die soziale Frage?

Vor allem wollten wir verhindern, dass neue Kraftwerke gebaut und neue Tagebaue erschlossen werden. Von der Gegenseite gibt es zum einen das Versprechen von Jobs. Zum anderen sind einige Teile der Philippinen von einer Energiekrise betroffen. Es gibt stundenlange Stromausfälle und nicht genug Strom. Dazu kommt das Versprechen von örtlicher Entwicklung: »Wir müssen die Versorgung ausbauen, und Kohle ist momentan das billigste. Wir wollen zwar erneuerbare Energien ausbauen, aber das ist momentan noch nicht möglich.« Für die Menschen in Batangas geht es um umweltpolitische Fragen. Es gibt in der Provinz Batangas andere Kohlekraftwerke, und da haben sie die Auswirkungen gesehen: auf die Umwelt, auf die örtlichen Gemeinschaften, auf die menschliche Gesundheit. Es existiert ein gewisser Stolz in der Region: Batangas ist einer der schönsten Bundesstaaten der Philippinen. Und seit letztem Jahr verstehen die Menschen auch mehr und mehr den Zusammenhang zum Klima. Für die Leute, die von außerhalb kamen, war Klima die größere Motivation, denn sie sind ja nicht direkt betroffen. Diese Leute kommen, weil sie die Verbindung zum Klima verstehen. Die Leute in den Gemeinden werden von der örtlichen Regierung eingeschüchtert und ihnen wird Unterstützung vorenthalten, wenn sie den Argumenten der Regierung nicht folgen. In sehr armen Städten und Dörfern ist das ein Faktor für die Menschen, weil Kohlekraftwerke und Tagebaue eine Frage des Überlebens sind. Auf nationaler Ebene ist unsere Forderung »Keine Neuen!«, also keine neuen Kraftwerke und Tagebaue. Das ist der Teil, den wir jetzt gewinnen wollen. Aber wir sagen gleichzeitig »Ausstieg aus den Bestehenden!«, damit die Menschen wissen, was als nächstes passieren wird.

Stehen sich da nicht auch Interessen entgegen, zum Beispiel wenn Leute durch einen Ausstieg ihre Jobs verlieren?

An einigen Orten müssen wir jetzt aus den fossilen Energieträgern ausstiegen. In diesen Fällen haben wir das Problem, was mit den Leuten geschieht, deren Einkommen davon abhängig ist. Wir müssen von den Regierungen einfordern, dass sie alternative Einkommensmöglichkeiten schaffen. Es ist nicht unsere Verantwortung – aber wir können versprechen, gemeinsam mit den Betroffenen für die Forderung nach alternativen Einkommensmöglichkeiten zu kämpfen. Wir können nicht versprechen, dass wir diese Alternativen anbieten. Genau das ist Teil der politischen Auseinandersetzung. Die Menschen müssen begreifen, dass sie so etwas von der Regierung fordern müssen. Es ist die Verantwortung der Regierung sicherzustellen, dass der Ausstieg aus dreckigen Energien und der Ausbau von erneuerbaren Teil von Regierungsprogrammen ist – und dass dabei Arbeiterinnen und Arbeiter nicht hinten runterfallen. Deswegen richtet sich unser Kampf nicht nur gegen Konzerne, sondern auch gegen unsere Regierungen.

Ilana Krause ist Teil von Ende Gelände und organisiert bei Primsa/IL Leipzig.

Eine englische Langfassung findet sich auf der Seite www.ende-gelaende.org/en/its-also-a-fight-against-our-government/.